Die Formel 1 ist eine Welt der Legenden, Triumphe und unerbittlichen Innovation. Doch abseits der glitzernden Pokale gibt es Geschichten von kühnen Träumen, die an der harten Realität zerbrachen. Eine dieser Geschichten ist die des Modena F1 Teams – oft auch liebevoll als Lambo-Team bezeichnet. Ein kurzes, aber dramatisches Kapitel, das eindrucksvoll zeigt, wie schnell Ambitionen in der Königsklasse verglühen können, selbst wenn ein Name wie Lamborghini im Spiel ist.


Ein mexikanisches Fundament auf Sand: Das GLAS-Projekt

Die Ursprünge des Modena F1 Teams liegen überraschenderweise nicht in den italienischen Sportwagen-Metropolen, sondern in Mexiko. Anfang 1990 trat das GLAS F1-Projekt auf den Plan. Initiator war der mexikanische Geschäftsmann Fernando González Luna. Sein erklärtes Ziel war es, ein rein mexikanisches Formel-1-Team zu gründen, welches angeblich mit einem beeindruckenden Budget von 20 Millionen Dollar ausgestattet werden sollte.

Für die technische Umsetzung des ehrgeizigen Vorhabens holte man sich keinen Geringeren als Lamborghini Engineering ins Boot. Die Aufgabe, ein wettbewerbsfähiges Chassis zu entwerfen, fiel in die Hände des legendären Ex-Ferrari-Konstrukteurs Mauro Forghieri und Mario Tolentino. Als Antrieb sollte selbstverständlich der potente Lamborghini V12-Motor dienen. Der erste Wagen, der GLAS 001, stand kurz vor seiner feierlichen Präsentation anlässlich des Großen Preises von Mexiko.

Doch dann kam der Schock: González Luna verschwand spurlos – und mit ihm die zugesagten Millionen. Das gesamte Projekt stand vor dem Aus, noch bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Lamborghini, das bereits erhebliche Anstrengungen in das Projekt gesteckt und das Auto nach Paris transportiert hatte, brachte den Wagen daraufhin zurück nach Modena. Ein späterer Test des Wagens in Imola mit Mauro Baldi am Steuer zeigte zwar vielversprechendes Potenzial mit 68 Runden und ordentlichen Zeiten, doch die finanzielle Basis war irreparabel weggebrochen. Das Fundament, auf dem der mexikanische Traum gebaut war, erwies sich als reiner Sand.


Die Geburt des Modena Teams: Ein Funke Hoffnung?

Trotz des Debakels um das GLAS-Projekt wollte Lamborghini die bereits geleistete Arbeit und die investierte Energie nicht einfach aufgeben. Man sah weiterhin Potenzial in dem entwickelten Chassis und Motor. Im Juli 1990 trat dann der italienische Industrielle Carlo Patrucco auf den Plan. Er übernahm die Überreste des GLAS-Projekts und gründete daraufhin die Modena Team SpA.

Obwohl Lamborghini maßgeblich an der technischen Entwicklung beteiligt war und die Basis für das Team legte, zögerte der Sportwagenhersteller, als vollwertiges Werksteam in Erscheinung zu treten. Die Befürchtung von Imageschäden im Falle eines Misserfolgs in der hart umkämpften Formel 1 war zu groß. So wurde das Team offiziell als „Modena Team“ eingeschrieben, auch wenn es in FIA-Listen oft als „Team Lambo“ geführt wurde und das Chassis den Namen „Lambo 291“ trug – eine klare Referenz an seinen Ursprung.

Nach einer anfänglichen Anschubfinanzierung durch Lamborghini erhielt das Modena Team jedoch keine weitere nennenswerte Unterstützung mehr vom Hersteller – ein Umstand, der sich im Verlauf der Saison als fatal erweisen sollte. Die technische Leitung verblieb bei Mauro Forghieri, und als Fahrer wurden der erfahrene Italiener Nicola Larini und das aufstrebende belgische Talent Eric van de Poele verpflichtet. Ein Funke Hoffnung glomm auf, dass dieses Team mit begrenzten Mitteln, aber solidem Ingenieurswissen und einem klangvollen Namen, in der Formel 1 bestehen könnte.


Der Lambo 291 und der brüllende V12: Ingenieurskunst und Soundgewalt

Das Einsatzfahrzeug des Modena F1 Teams für die Saison 1991 war der Lambo 291, eine gemeinsame Schöpfung von Mauro Forghieri und Mario Tolentino. Optisch präsentierte sich der Wagen in einem markanten Dunkelblau und wies einige innovative Designmerkmale auf, die seiner Zeit voraus waren. Besonders auffällig waren die dreieckigen Seitenkästen und die schräg angestellten Kühler – ein mutiges Konzept in der Aerodynamik jener Zeit.

Das wahre Herzstück des Lambo 291 war jedoch der Lamborghini LE3512 V12-Saugmotor, ebenfalls von Forghieri entwickelt. Mit rund 640 PS für die Saison 1991 bot er eine beeindruckende Leistung. Doch der Motor war vor allem für eines bekannt und berühmt: seinen ohrenbetäubenden, fantastischen Klang. Der unverwechselbare Sound des Lamborghini V12 gehörte zu den markantesten und emotionalsten Geräuschen der damaligen Formel 1.

Allerdings hatte der Motor auch eine entscheidende Kehrseite: seine Zuverlässigkeit. Derek Warwick, der ihn 1990 für das Lotus-Team fuhr, bezeichnete ihn bissig als „All noise and no go“ – viel Lärm, aber zu wenig Leistung, wenn es darauf ankam. Diese Kombination aus beeindruckendem Klang und technischer Anfälligkeit sollte die gesamte Saison des Modena Teams prägen.


Die Saison 1991: Zwischen Himmel und Hölle

Die einzige Saison des Modena F1 Teams in der Formel 1 wurde zu einer Achterbahnfahrt der Gefühle, zwischen kleinen Erfolgen und großen Enttäuschungen. Das Team trat zu allen 16 Rennen an, doch die Realität der Formel 1 traf sie hart: Die Fahrer konnten sich nur für sechs Starts qualifizieren. Die Hürde der Vorqualifikation erwies sich für das finanziell angeschlagene Team oft als unüberwindbar.

Der Auftakt der Saison in Phoenix, USA, war jedoch ein Paukenschlag und ließ die Herzen der Fans höherschlagen: Nicola Larini qualifizierte sich sensationell als 17. und fuhr im Rennen auf einen bemerkenswerten siebten Platz – nur knapp an den begehrten Weltmeisterschaftspunkten vorbei. Dieses Ergebnis sollte das beste des Teams in seiner kurzen Geschichte bleiben und nährte die Hoffnung auf mehr.

Doch dann kam Imola, der Große Preis von San Marino, ein Rennen, das die Tragik des gesamten Projekts exemplarisch aufzeigen sollte. Eric van de Poele, bei seinem einzigen Rennstart für das Team in dieser Saison, fuhr das Rennen seines Lebens. Er lag sensationell auf dem fünften Platz, auf klarem Punktekurs – eine absolute Sensation für ein solch kleines und unterfinanziertes Team. Doch das Drama folgte in der allerletzten Runde: Wenige Kurven vor dem Ziel rollte der Lambo 291 aus – vermutlich aufgrund eines Problems mit der Benzinpumpe oder dem Benzindruck. Van de Poele wurde nur als Neunter gewertet, die Punkte waren verloren. Sein Ingenieur funkte ihm nur noch eine einzige, herzzerreißende Nachricht: „Alles, was du tun kannst, Eric, ist weinen.“ Dieser Moment symbolisierte die gesamte Tragik des Projekts – das Erreichen des Ziels war so nah, doch die Mittel und das Glück reichten nicht aus.

Am Ende der Saison 1991 stand das Modena Team ohne einen einzigen WM-Punkt da. Trotz aller Bemühungen, trotz des großartigen Sounds des V12 und trotz einiger vielversprechender Ansätze – die harte Realität hatte sie eingeholt.


Das unvermeidliche Ende

Die Saison 1991 war nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein ständiger Kampf gegen leere Kassen. Die chronische Unterfinanzierung, verschärft durch das Ausbleiben weiterer Gelder von Lamborghini selbst, forderte ihren unerbittlichen Tribut. Am Ende des Jahres war das Team tief verschuldet und nicht mehr überlebensfähig.

Mauro Forghieri versuchte verzweifelt, das Team zu retten. Er lotete Fusionen mit anderen Rennställen wie Larrousse oder dem damals aufstrebenden Reynard-Projekt aus – doch alle Bemühungen blieben vergeblich. Die Schuldenlast war zu erdrückend, die Perspektiven zu düster. Noch bevor die Saison 1992 begann, war das Modena Team Geschichte. Lamborghini zog sich endgültig als Teambetreiber zurück und agierte in den Folgejahren lediglich noch als Motorenlieferant für andere Teams. Das kurze, aber intensive Abenteuer des Modena F1 Teams war beendet.


Das Erbe: Mehr als nur eine Fußnote

Was bleibt vom Modena F1 Team? Der Lambo 291 ging als einziges Formel-1-Fahrzeug in die Geschichte ein, das vollständig von Lamborghini selbst entworfen und gebaut wurde – ein technisches Denkmal, das die Ingenieurskunst des Hauses aus Sant’Agata Bolognese unterstreicht. Heute stehen diese beeindruckenden Boliden im Lamborghini Museum und zeugen von diesem kurzen, wilden und dramatischen Abenteuer in der Formel 1.

Die Geschichte von Modena ist mehr als nur eine Fußnote in den Geschichtsbüchern des Motorsports. Sie ist eine eindringliche Mahnung: Technisches Potenzial, brillante Ingenieurskunst und sogar ein großer Name allein reichen in der Formel 1 nicht aus, um erfolgreich zu sein. Ohne eine solide finanzielle Basis, eine klare strategische Ausrichtung und das nötige Quäntchen Glück sind selbst die kühnsten Träume schnell ausgeträumt.

Dennoch, für einen kurzen, intensiven Moment ließ das blaue Auto mit dem unverwechselbaren, brüllenden V12 die Formel-1-Welt aufhorchen. Es war ein kurzes, lautes, aber definitiv unvergessenes Kapitel – ein Zeugnis von Leidenschaft, Ehrgeiz und der gnadenlosen Realität der Königsklasse des Motorsports.


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