Der Große Preis von Deutschland 1967 auf dem Nürburgring ist in die Annalen des Motorsports eingegangen, nicht nur wegen des Sieges von Denny Hulme, sondern vor allem wegen einer Leistung, die das schiere Talent eines jungen Fahrers über die pure Kraft seiner Maschine stellte. An jenem 6. August zeigte der damals 22-jährige Belgier Jacky Ickx in einem unterlegenen Formel-2-Wagen eine der denkwürdigsten Vorstellungen in der Geschichte der legendären Nordschleife und begründete seinen Ruf als „Ringmeister“.
Die Ausgangslage: Formel 2 trifft auf die Königsklasse
Wie schon im Vorjahr wurde das Feld des Großen Preises von Deutschland durch Formel-2-Fahrzeuge ergänzt. Dies bot jungen Talenten die Möglichkeit, sich auf der ganz großen Bühne zu beweisen. Unter ihnen war Jacky Ickx, der für das Team von Ken Tyrrell in einem Matra MS7 mit einem 1,6-Liter-Cosworth-Motor antrat. Dieses Aggregat leistete deutlich weniger als die 3-Liter-Motoren der Formel-1-Boliden. Auf einer Strecke wie dem Nürburgring, mit seinen langen Geraden und Steigungen, schien dies ein unüberwindbarer Nachteil zu sein.
Die Sensation im Training
Doch bereits im Training ließ Ickx die Fachwelt aufhorchen. Auf der 22,8 Kilometer langen, anspruchsvollen und gefährlichen Nordschleife, die jedem Fahrer und jeder Maschine alles abverlangte, zirkelte Ickx seinen leichten und wendigen Matra mit einer atemberaubenden Präzision und Geschwindigkeit durch die „Grüne Hölle“. Das Ergebnis war eine Sensation: Mit einer Zeit von 8:14,0 Minuten war er nicht nur der mit Abstand schnellste Formel-2-Pilot – er war über 20 Sekunden schneller als der zweitplatzierte F2-Fahrer Jackie Oliver –, sondern fuhr die drittschnellste Zeit des gesamten Feldes. Lediglich die Formel-1-Stars Jim Clark im Lotus-Ford und Denny Hulme im Brabham-Repco waren schneller. Ickx hatte sich damit einen Platz in der zweiten Startreihe der Formel 1 verdient, eine schier unglaubliche Leistung mit seinem leistungsschwächeren Fahrzeug.
Das Rennen: Eine Aufholjagd für die Geschichtsbücher
Trotz seiner phänomenalen Trainingszeit musste Ickx aufgrund der Regeln hinter dem gesamten Formel-1-Feld starten. Er ging von der 18. Position ins Rennen, was seine beeindruckende Leistung im Qualifying für die Startaufstellung wertlos machte. Doch was dann folgte, war eine Demonstration fahrerischer Extraklasse.
Vom Start weg begann Ickx eine furiose Aufholjagd. Unbeeindruckt von den stärkeren Boliden vor ihm, nutzte er die Vorteile seines leichten Wagens in den kurvenreichen Passagen der Nordschleife gnadenlos aus. Mit unübertroffenem Mut und einer perfekten Linienwahl überholte er einen Formel-1-Wagen nach dem anderen. Bereits nach vier Runden hatte er sich durch das Feld gekämpft und lag sensationell auf dem fünften Gesamtrang, inmitten der etablierten Formel-1-Elite.
Die Zuschauer an der Strecke rieben sich verwundert die Augen. Der junge Belgier in seinem blauen Matra schien die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen. Er fuhr nicht nur das Rennen seines Lebens, sondern unterhielt das Publikum mit einem unvergesslichen Spektakel. Zeitweise lieferte er sich direkte Duelle mit den Größen des Sports und zeigte dabei keinerlei Respekt vor großen Namen.
Das bittere Ende eines heldenhaften Auftritts
Ickx‘ Fahrt war nicht nur schnell, sondern auch konstant. Er hielt seinen fünften Platz souverän und fuhr dabei die mit Abstand schnellste Rennrunde aller Formel-2-Teilnehmer. Doch das Märchen sollte kein Happy End haben. In der zwölften von 15 Runden, immer noch auf einem sensationellen fünften Platz liegend, brach die Vorderradaufhängung seines Matra. Der Traum vom zählbaren Erfolg war jäh geplatzt. Ickx musste seinen Wagen abstellen und das Rennen vorzeitig beenden.
Obwohl er die Zielflagge nicht sah, war Jacky Ickx der heimliche Held des Tages. Seine Leistung an jenem Augusttag 1967 war mehr als nur eine Talentprobe. Es war die Geburtsstunde einer Legende. Er hatte der gesamten Motorsportwelt gezeigt, dass fahrerisches Können und Streckenkenntnis auf der anspruchsvollsten Rennstrecke der Welt den Unterschied machen können. Sein mutiger und brillanter Auftritt öffnete ihm endgültig die Türen zur Formel 1, wo er bereits im folgenden Jahr für Ferrari an den Start ging. Der Große Preis von Deutschland 1967 bleibt untrennbar mit dem Namen Jacky Ickx verbunden – dem Tag, an dem ein junger Belgier in einem Formel-2-Auto die Formel-1-Welt das Fürchten lehrte. Das Rennen selbst gewann Denny Hulme vor seinem Teamkollegen Jack Brabham, doch die Schlagzeilen und die Herzen der Fans gehörten an diesem Tag dem ausgeschiedenen „Ringmeister“.
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