In der Welt des Motorsports gibt es Karrieren, die geradlinig und vorhersehbar verlaufen, und es gibt die Geschichten von Fahrern, deren Weg von unerwarteten Wendungen und beeindruckender Vielseitigkeit geprägt ist. Paolo Barilla gehört zweifellos zur letzteren Kategorie. Sein Name ist untrennbar mit dem weltberühmten italienischen Pasta-Unternehmen verbunden, doch seine wahre Leidenschaft galt lange Zeit dem Asphalt und dem Kampf um Sekunden. Seine Reise führte ihn vom prestigeträchtigen Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans bis in die Königsklasse des Motorsports, die Formel 1, bevor er zu seinen unternehmerischen Wurzeln zurückkehrte.
Die Anfänge: Vom Kart-Champion zum Formel-Talent
Geboren am 20. April 1961 in Mailand, wuchs Paolo Barilla als Erbe eines der bekanntesten Lebensmittelkonzerne der Welt auf. Doch anstatt sich früh den Bilanzen und Marketingstrategien zu widmen, zog es ihn auf die Rennstrecken Italiens. Seine Motorsportkarriere begann klassisch im Jahr 1975 im Kartsport. Hier zeigte sich schnell sein angeborenes Talent: Nur ein Jahr später, 1976, krönte er sich zum italienischen Meister in der 100-ccm-Klasse.
Dieser Erfolg ebnete ihm den Weg in den Formelsport. 1980 stieg er in die Formel Fiat Abarth ein, eine populäre Nachwuchsserie in Italien. Bereits im darauffolgenden Jahr wagte er den Sprung in die hart umkämpfte italienische Formel-3-Meisterschaft. Auch hier bewies er seine Klasse, feierte auf Anhieb Rennsiege und sicherte sich am Ende der Saison einen beeindruckenden dritten Gesamtrang. Der nächste logische Schritt auf der Karriereleiter war die Formel 2, in die er 1982 mit dem aufstrebenden Team von Giancarlo Minardi wechselte. Die Weichen für eine Zukunft im hochklassigen Formelsport schienen gestellt.
Der goldene Umweg: Dominanz im Sportwagen und der Triumph von Le Mans
Doch statt den direkten Weg in Richtung Formel 1 zu verfolgen, entschied sich Barilla Mitte der 1980er-Jahre für einen Wechsel in die Welt der Sportwagenrennen. Eine Entscheidung, die seine Karriere definieren und ihm seinen größten motorsportlichen Erfolg bescheren sollte. Zwischen 1983 und 1988 konzentrierte er sich auf Langstreckenrennen und pilotierte einige der legendärsten Rennwagen dieser Ära.
Das absolute Highlight seiner Karriere folgte im Jahr 1985. An der Seite der erfahrenen Piloten Klaus Ludwig und Louis Krages (der unter dem Pseudonym John Winter fuhr) nahm er im legendären Porsche 956 des Joest Racing Teams am prestigeträchtigsten Langstreckenrennen der Welt teil: den 24 Stunden von Le Mans. In einem dramatischen und fordernden Rennen zeigte das Trio eine fehlerfreie Leistung und überquerte die Ziellinie nach 373 Runden mit einem Vorsprung von drei Runden als Sieger. Dieser Triumph auf dem Circuit de la Sarthe war nicht nur ein persönlicher Meilenstein für Barilla, sondern zementierte auch seinen Ruf als Weltklasse-Pilot, der sowohl schnell als auch konstant und zuverlässig war.
Die späte Erfüllung des Traums: Die Formel 1 mit Minardi
Trotz des Ruhms und der Erfolge im Sportwagenbereich ließ Paolo Barilla der ursprüngliche Traum von der Formel 1 nie ganz los. 1987 kehrte er in den Formelsport zurück und sammelte in der anspruchsvollen japanischen Formel-3000-Meisterschaft wertvolle Erfahrungen.
Die große Chance bot sich ihm Ende 1989, als sein ehemaliger Formel-2-Teamchef Giancarlo Minardi ihn für einen Test einlud. Barilla überzeugte und bekam prompt die Gelegenheit, den etatmäßigen Minardi-Piloten Pierluigi Martini beim Großen Preis von Japan in Suzuka zu ersetzen. Obwohl er im Rennen ausschied, hatte er einen Fuß in der Tür zur Königsklasse.
Für die Saison 1990 unterschrieb er einen Vertrag als Stammfahrer bei Minardi. An der Seite seines Landsmanns Martini sollte er den kleinen italienischen Rennstall im Mittelfeld etablieren. Doch die Realität in der Formel 1 war ernüchternd. Der Minardi M190, der im Laufe der Saison den M189 ablöste, war technisch unterlegen und unzuverlässig. Barilla kämpfte permanent mit dem Material und hatte große Mühe, sich für die Rennen zu qualifizieren. In 14 Versuchen scheiterte er sechsmal an der Qualifikationshürde. Sein bestes Ergebnis blieb ein elfter Platz beim Großen Preis von San Marino in Imola. Da die erhofften sportlichen Erfolge und auch die finanzielle Unterstützung ausblieben, zog das Team vor dem Großen Preis von Japan die Reißleine und ersetzte Barilla durch den aufstrebenden Gianni Morbidelli. Seine Formel-1-Karriere war nach nicht einmal einer vollen Saison beendet.
Rückkehr und neues Kapitel: Unternehmer und Gentleman-Driver
Nach dem kurzen und letztlich enttäuschenden Abenteuer in der Formel 1 zog Paolo Barilla einen Schlussstrich unter seine professionelle Rennsportkarriere. Er kehrte dem Cockpit den Rücken und stieg in das Familienunternehmen ein. Heute ist er als stellvertretender Vorsitzender der Barilla-Gruppe eine der Schlüsselfiguren des globalen Pasta-Imperiums und trägt maßgeblich zu dessen anhaltendem Erfolg bei.
Ganz hat er die Benzinluft jedoch nie aus seinem Leben verbannt. Seine Leidenschaft für den Motorsport lebt er heute bei ausgewählten historischen Rennveranstaltungen aus. Dort beweist er am Steuer klassischer Rennwagen immer wieder, dass er nichts von dem Talent und der Fahrzeugbeherrschung verloren hat, die ihn einst zum Le-Mans-Sieger machten.
Paolo Barillas Werdegang ist ein faszinierendes Beispiel für einen Fahrer, der den Gipfel des Sportwagenrennsports erklomm, sich den Traum von der Formel 1 erfüllte und schließlich erfolgreich den Weg in die Welt der Wirtschaft fand. Er bleibt einer der wenigen Piloten in der Geschichte, die sowohl in der Formel 1 starteten als auch den Gesamtsieg in Le Mans feiern konnten – eine außergewöhnliche Leistung, die ihm einen festen Platz in den Annalen des Motorsports sichert.
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